Tellerrand: Springsitz

Immer weniger Reiter wollen springen. Das ist meiner Ansicht nach nicht gut, denn im Zusammenhang mit dem Springen lernt man viel, was Reiter immer wieder brauchen können: In erster Linie ist das ein effektiver leichter Sitz. Hier ein paar Argumente, warum es lohnt ihn zu trainieren – auch wenn man nicht unbedingt springen möchte, aber erst recht, wenn dies das Ziel ist:

„Genauso wie man den Dressursitz in allen Gangarten und Lektionen üben und ausfeilen muss, muss auch das Galoppieren im leichten Sitz geübt werden, und zwar zunächst, ohne zu springen“, schreibt Fritz Thiedemann* in seinem Buch** „Das Springpferd“. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: „Einmal um die Technik des leichten Sitzes zu erlernen und eine entsprechende Sicherheit zu gewinnen, aber auch um die Bein-, Bauch- und Rückenmuskulatur an den leichten Sitz zu gewöhnen und die erforderliche Ausdauer und Einwirkung im leichten Sitz zu bekommen.“

Eine gute Grundlage im leichten Sitz erleichtert dem Reiter und dem Pferd das Springen. Aus einem guten leichten Sitz kann sich schnell ein gutes Mitgehen über dem Sprung entwickeln sowie sicheres Reagieren auf unerwartete Bewegungen des Pferdes, Elastizität der Hand und ein tiefes Fundament und damit ein guter ausbalancierter Sitz auch in kritischen reiterlichen Situationen. Ein schneller Wechsel von Dressursitz (der abseits vom Dressursattel auch oft Vollsitz genannt wird) und leichtem Sitz ist bereits beim Ausreiten wichtig.

Über dem Hindernis bleibt der leichte Sitz von seinem Grundprinzipien erhalten. Die Hände geben Richtung Pferdemaul nach. (© U. Götz)

Bei einem effektiven leichten Sitz ist der Reiter in optimalem Gleichgewicht und stört das Pferd weder am Zügel noch im Rücken – eine perfekte und zwingend notwendige Vorbereitung auf das später Springen.

Fängt man zu früh mit dem Springen selbst an, ohne den leichten Sitz ausreichend geübt und gefestigt zu haben, kommt es zu den bekannten Fehlern:

  • kein tiefes Fundament möglich (die Unterschenkel fliegen nach hinten, der Oberkörper bleibt instabil, lässt sich also nicht nach Bedarf abkippen und aufrichten)
  • kein geschmeidiges Mitgehen in der Bewegung über dem Sprung und bei der Landung möglich (die Kraft fehlt)
  • aktives Reiten zum und nach dem Sprung nicht möglich

Im nächsten Beitrag geht es darum, wie man den leichten Sitz erlernt und trainiert.

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* Fritz Thiedemann war neben Hans Günter Winkler der herausragende deutsche Springreiter der 1950er-Jahre: Als einziger Reiter weltweit holte er bei Olympischen Spielen sowohl im Springreiten als auch in der Dressur eine Medaille.

** Fritz Thiedemann, Das Springpferd, Edition Haberbeck 1979