Schon wieder ist ein Jahr vorüber. Es brachte für mich aus reiterlicher Sicht einige frustrierende Überraschungen in puncto Lahmheitsdiagnostik und Ausrüstung sowie fragwürdige Entwicklungen in der Ausbildung und dem Turniergeschehen. Ich bin vermutlich nicht die Einzige, die sich fragt, wo das hinführt.
Wir schreiben das Jahr 2037. Der 22-jährige Linus Maria Schuster da Silva ist soeben seine erste M-Dressur* geritten. Gleich wird er die Ausbinder aushaken und das Protokoll der Prüfung auf sein Smartphone am Handgelenk abrufen.
Dort wird er hören, dass das Durchreiten der Eingangslinie von A auf die Richter zu, fast ganz gerade und gleichmäßig war. Da alle negativen Formulierungen, wie schwankend oder nicht taktrein, aus den Beurteilungen gestrichen wurden, freut sich Linus sehr, bis er die dabei erreichte Punktzahl liest: 32 von 100 möglichen.
Auch das abschließende Halten-Grüßen, das als einzige Grußaufstellung in den Dressurprüfungen der unteren Klasse erhalten blieb, wird mit nur 27 Punkten bewertet. Linus’ Pferd Substancial Equidust Freak, der siebenjährige Enkel des Weltmeisters der dreijährigen Dressurhengste von 2022, galoppierte vorher an und ging die letzte Mittellinie nach draußen auf den Vorbereitungsplatz durch.
Das war wohl auch den Richtern klar. Der Kommentar „man bereite sich wohl schon auf größere Aufgaben vor“ legt dies durchaus nahe. Wird Linus im folgenden Jahr mit dem 182 cm großen Wallach in S starten, muss er nämlich überhaupt keine Grußaufstellung mehr reiten: Dafür wird stattdessen das Ausreiten aus dem Viereck im Trab gefragt – der darf dann gerne auch etwas flotter ausfallen, das drückt die Punkte nur unwesentlich.
Dass die Richter ihm neben einem steifen Sitz auch Würfelhände attestieren bekommt er nicht mehr mit. Denn er hat das Protokoll mittendrin abgeschaltet. Die Formulierungen, dass sie sich ihn „geschmeidiger in der Mittelpositur, mit gestreckteren Handgelenken“ wünschen, hätte er aber vermutlich ohnehin nicht seiner Ausbildung zuordnen können, die täglich 20 Minuten an einem Trainingswürfel vorsieht, der Ende der 2010er-Jahre in Mode kam.
* Die Umbenennung der Schwierigkeitsgrade auf dem Turnier erfolgte 2025: Aus den Klassen E (Einsteiger) wurde L (leicht). A (Anfänger) wurde gestrichen. Stattdessen kommt nun M (mittel) und danach S (schwer) sowie darauf aufbauend XS (extraschwer).