Wie wir zu Reitern wurden

Die Botai sind nach heutigem Wissensstand zwar die ersten Reiter, aber nicht diejenigen, die das Wissen um Pferdehaltung und Reiten in die Welt getragen haben. Vermutlich sind dies die Jamnaja-Reiter – Menschen der Grubengrab- oder Ockergrab-Kultur, die vor rund 5500 Jahren im Gebiet um die Flüsse Bug, Dnister und Ural lebten.

Die Jamnaja sind nicht nur unsere reiterlichen Vorfahren. Wie Paläogenetiker beweisen konnten, waren sie es, die durch ihren Zug nach West-Europa auch unsere Gene entscheidend bestimmt haben – und wohl auch unsere Sprache.

Doch wie wird ein Wildpferd zum Reittier? Es sind ihre Qualitäten als soziale Tiere, sagt Biologin Claudia Feh in der Arte-Doku über die Geschichte von Pferd und Mensch. Diese sozialen Fähigkeiten des Pferdes sichern heute wie damals das Überleben der Herden. Denn gegen ihre größten Feinde – die kooperativ jagenden Wölfe – behaupten sich nur kooperative Pferde. Das können Verhaltensforscher heute wieder an wild lebenden Pferden beobachten. Für sie ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit entscheidend für ihr Überleben.

Von dieser Fähigkeit zur Kooperation miteinander profitiert letztlich auch der Mensch. So wie die Pferde die Körpersprache der Raubtiere lesen, so lesen sie auch unsere Gestik und Mimik. Trotz der körperlichen Stärke basiert die Hierachie der Pferde auf mentaler Stärke, auf Persönlichkeit erklärt Feh. Und diese Art von Führungspersönlichkeit anzuerkennen lässt sich auch auf die Beziehung von Pferd und Mensch übertragen.

Menschen müssen also früh erkannt haben, dass Pferde, die sich nicht von ihnen bedroht fühlen, sich erstaunlich zahm benehmen: Das zeigt ein einzigartiges Szenario auf der Insel Sable Island: Hier wurden vor fast 300 Jahren Pferde zurückgelassen, die sich seitdem ohne natürliche Feinde vermehrt haben. Mit dem Ergebnis, dass sie auch ihre Scheu vor dem Menschen völlig verloren haben. Alle anderen verwilderten Hauspferde – Brumbys in Australien oder Mustangs in den USA – sind scheu. Aber die werden auch regelmäßig be- und gejagt.

Mustangs – verwilderte Hauspferde in den USA (© Jaime Jackson, Wikipedia)

Wie es genau passierte, dass wir anfingen, Pferde zu halten und damit – wie ich im vorherigen Beitrag dargelegt habe – auch zu reiten, wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Rätselhaft ist auch das Erbe der Pferde selbst: Eine neue Studie legt den Schluss nahe, dass die es sich bei den Przewalskipferden nicht um die letzten lebenden Wildpferde, sondern um verwilderte Hauspferde handelt – die der Botai.