Abrieb vs. Wachstum

Immer wieder höre ich den Einwand von Pferdebesitzern, das Wachstum der Hufe ihrer Pferde sei einfach zu gering. Das sei genetisch bedingt und nicht zu ändern. Das ist falsch. Das Hufwachstum wird von mehreren Faktoren beeinflusst – die Gene haben daran nur einen sehr geringen Anteil.

In erster Linie spielt eine Rolle, auf wie viel Abrieb der Huf „trainiert“ wurde. Denn die Natur hat dafür gesorgt, dass sich Abrieb und Wachstum so einpendeln, dass ein Gleichgewicht entsteht.

Ein Huf, der sehr früh – oft noch im Wachstum – dauerhaft vor Abrieb geschützt wurde, indem er beschlagen wird – ist wenig trainiert: also wenig gefordert, neues Horn in guter Qualität nachwachsen zu lassen. Ein Huf, der nie beschlagen wurde und der auf allen Böden von Fohlen auf bewegt wurde, hat entsprechend Training, ausreichend Horn in guter Qualität zu produzieren.

Asphalt ist in Sachen Abrieb zu Unrecht verrufen. Für frisch umgestellte Barhufpferde ist er sogar ideal, weil er zudem die meist noch zu dünne Sohle nicht unnötig strapaziert. (© C. Götz)

Seit ich die Hufe meiner Pferde selber bearbeite und mich darüber auch mit anderen Pferdebesitzern, die dasselbe machen, austausche, habe ich folgendes festgestellt:

1. Ein Pferd, das lange beschlagen war, muss in der Regel seltener oder weniger bearbeitet werden. Denn es hat ein geringeres Hufwachstum, beziehungsweise das nachwachsende Material läuft sich schneller ab.

2. Ein Pferd, das nie beschlagen war, hat normalerweise ein deutlich höheres Hufwachstum, beziehungsweise besseres, abriebstärkeres Horn. In Phasen mit weniger Bewegung ist eine deutlich häufigere Hufbearbeitung nötig.

3. In der Umstellung von Beschlag auf Barhuf wird das Hornwachstum oft erst dann stark angeregt, wenn der Huf ausreichend saniert wurde: wenn Probleme wie Trachtenzwang oder hebelnde Wände hinreichend behoben wurden.

4. In der Umstellung von Beschlag auf Barhuf können auch Faktoren wie osteopathische Läsionen einen großen Einfluss auf das Hornwachstum haben: Blockierungen im Übergang der Hals- zur Brustwirbelsäule stören häufig auch die Physiologie (z.B. Durchblutung oder Bewegungsablauf) der Vorderbeine und damit das Hufwachstum.

5. Ernährungsmängel oder bleibende Schädigungen der Lederhaut sind hingegen als Ursache für ein Ungleichgewicht von Abrieb und Wachstum extrem selten. Ernährungsfehler sind (im Sinne eines Zuviel) häufiger an Barhufproblemen beteiligt.

Bis sich nach Abnahme der Eisen (oder beim unbeschlagenen Jungpferd auf die vermehrte Belastung durch den Reiter) das Wachstum auf den Abrieb eingestellt hat, sollte man das Pferd mit temporärem Hufschutz unterstützen. Die einfachste und gängigste Variante dafür sind derzeit Hufschuhe.