Ligno… was?

Der neueste heiße Scheiß in der Pferdefütterung ist so genannte Lignocellulose. Sie soll vor allem bei Kotwasser und anderen Verdauungsstörungen helfen. Wenn man sich genauer anschaut, was Lignocellulose eigentlich ist, beziehungsweise, woraus es gewonnen wird, ist schnell klar: So neu ist es gar nicht. Ganz im Gegenteil …

… eigentlich greift es nur auf, was traditionelle Pferdefütterung immer gewährleistet hat: einen ausreichenden Faseranteil in der Ration.

Zuerst ein kurzer Ausflug in die Biologie: Fasern stammen aus den Zellwänden der Pflanzen. Sie bestehen im Wesentlichen aus Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Das Produkt Lignocellulose wird aus Holz, Stroh oder Miscanthus gewonnen, verholzten Pflanzen also, deren stabiles Gerüst die in ihre Zellwände eingelagerte Lignocellulose ist. Lignin, lateinisch für Holz, stellt bis zu 30 Prozent der Lignocellulose-Biomasse dar.

Dieser Weidenstamm wurde nicht frisch, sondern erst nach zwei Jahren trockener Lagerung angeboten und ist ein begehrter Knabberspaß. (© C. Götz)

Diese unverdaulichen Fasern sind wie gesagt jahrhundertelang Bestandteil der Pferdefütterung gewesen: In Form von Stroh und Hafer ergänzen sie die Ration aus Heu und/oder Gras. Beides muss gut gekaut werden. Dabei wird vermehrt Speichel gebildet – der erste Schritt für eine gute Verdauung. Zudem stehen beide mit ihren Fasern der Darmflora als Nahrung zur Verfügung. Beim Hafer sind es übrigens vor allem die Spelzen, die diesen wertvollen Beitrag zur Verdauung leisten.

Bei Pferden erhöht das richtige Verhältnis der Faserstoffe, wie bei allen monogastrischen Tierarten, die Verwertung der Nahrung (Stichwort: Hydrolyse). Für mich erklärt diese wissenschaftliche Erkenntnis, die Tatsache, dass die Fütterungsempfehlungen von Heu in den letzten Jahrzehnten von einem Kilo je 100 kg Körpergewicht (plus Stroh, plus Hafer) auf zwei Kilo (bei reiner Heufütterung) hinaufgeschraubt wurden.

Da im Umkehrschluss weniger Faseranteile eine schlechtere Futterverwertung bedeuten, braucht es bei reiner Heufütterung dann eben deutlich mehr Heu. Das an sich wäre nicht schlimm, aber leider gibt es dabei unerwünschte Nebeneffekte: Der damit vermehrt aufgenommene Zucker führt dann nicht nur zu Übergewicht, sondern damit verbunden auch zu Krankheiten und Verdauungstörungen.

Natürlich kann man aufwendig produzierte Faserstoffe wie Lignocellulose füttern. Sie haben in vielen Fällen einen positiven Effekt. Aber was spricht dagegen, den Faseranteil auf natürliche Art in die Ration einzubringen – mit allen damit verbundenen Vorteilen? Denn Hafer schmeckt, Stroh verlängert Fresszeiten und Hölzer zum Knabbern sind auch Beschäftigung.