Als mein heute 24-jähriger sich vor fünf Jahren im Gelände vor einem auffliegenden Fasan erschrocken hatte, sagte der Tierarzt, der den Schaden am Unterstützungsband diagnostizierte, dass man davon lange etwas sehen würde – genau so lange wie die ein, zwei Jahre die es ihn vermutlich nur noch geben würde. Da Totgesagte sprichwörtlich länger leben, reite ich den Wallach heute noch. Folgendes Wochenprogramm tut ihm derzeit gut.
Vorab: Das Pferd steht im Offenstall und wird nur noch im Gelände bewegt, da keine Halle oder Platz vorhanden sind. Alle im Text erwähnten Lektionen und Trainingsmodule habe ich im vorherigen Beitrag genauer beschrieben.
Montag: Heute gehen wir spazieren. Nach etwa zehn Minuten auf Asphalt (der perfekt zum Aufwärmen ist, da er die Gelenke nicht durch Unebenheiten stresst und die Sehnen stärkt) kommen wir auf einen planen, befestigten Feldweg. Hier lasse ich ihn an der Hand einige Meter zu beiden Seiten Schulterherein machen. Dazwischen geht es für zwanzig Meter flott geradeaus. Die Aktivierung der Hinterhand und das Fallenlassen des Halses direkt nach dem Schulterherein zeigen mir, dass es korrekt war. Als der Weg einen Wiesenmittelstreifen bekommt, lasse ich ihn kurze Trab-Schritt-Übergänge ausführen. Ich führe dabei gleichmäßig von beiden Seiten. Ich kann sehen, dass er sich dabei schön selber trägt und im Widerrist anhebt. Diese Einheit wederhole ich an geeigneter Stelle noch ein- oder zweimal. Das letzte Stück des Weges gehen wir wieder flotten Schritt – auch hier wechsle ich etwa die Hälfte der Strecke auf die rechte Seite. Insgesamt waren wir etwa eine halbe Stunde unterwegs.
Dienstag: kein Training
Mittwoch: Ich reite eine knappe halbe Stunde aus: Nach einer zehnminütigen Schrittstrecke am langen bis hingegebenen Zügel nehme ich in auf und gymnastiziere ihn über Reiten-in-Stellung. Da er trotz seines fortgeschrittenen Alters extrem durchlässig ist, muss ich ihn praktisch nicht lösen. Falls ich merke, dass sein Rücken noch braucht, variiere ich das Zügelmaß und lasse ihn über tiefes Dehnen am losen Zügel den Rücken aktivieren. Anschließend kräftige ich den Schultergürtel und den Rücken, indem ich ihn auf einem geeigneten Weg einige Male in kurzen Reprisen seitwärts verschiebe. Zwischendurch lasse ich ihn immer wieder am langen Zügel dehnen.
Donnerstag: kein Training
Freitag: Wie Mittwoch, allerdings auf einer Route, die leicht hügelig verläuft und nach dem Aufwärmen bergauf Halten-Antreten ermöglicht. Zudem baue ich ein mehrmaliges Rückwärtsrichten (jeweils drei bis fünf Tritte) ein. Wieder am Stall lasse ich ihn an der Hand noch einige Male aufs Podest steigen und mit langer Nase (Leckerchen) vorwärts-abwärts dehnen.
Samstag: Er läuft eine Stunde als Handpferd mit: Schritt und einige Trabstrecken.
Sonntag: kein Training
Für dieses Pferd ist es aufgrund seiner Lungenproblematik wichtig, dass er regelmäßig bewegt wird. Aufgrund seiner Hochbeinigkeit, dem immer schon eher niedrigen Muskeltonus und dem altersbedingten Muskelabbau ist für seine Balance und damit für die eigene Sicherheit – auch auf der Koppel – eine Kräftigung der Skelettmuskulatur das Entscheidende. Da er mit dem Bewegungsapparat sonst keine Probleme hat, ist noch relativ viel möglich.
Trainingsprogramme für Pferdesenioren mit anderen altersbedingen Baustellen können durchaus anders aussehen. Fragen Sie einen Physiotherapeuten oder Osteopathen, was und wie viel Ihr Pferd noch machen kann und sollte, falls Sie unsicher sind. Was unbedingt zu vermeiden ist, lesen Sie im nächsten Beitrag.