Vorsicht! Anatomisch geformt

Immer öfter sehe ich unpassende, schiefe, verrutschte oder nicht symmetrisch zu verschnallende Trensen. Warum: Nun zumeist sind sie anatomisch geformt, beziehungsweise haben anatomisch geformte Bestandteile, etwa Genickriemen. Was ist also das Problem? Oder besser gefragt: Worauf sollte man unbedingt achten?

In diesem Artikel habe ich bereits eine Zusammenfassung gegeben, worauf man achten muss, wenn man die Trense verschnallt, beziehungsweise eine neue Trense ans Pferd anpasst. Damals gab es noch nicht so viele anatomisch geformte Trensenteile wie heute und damit noch lange nicht so viele Probleme wie heute.

Warum? Sollte anatomisch geformt nicht eigentlich besser sein? Das Problem dabei ist aus meiner Sicht der Bewegungstherapeutin für Mensch und Pferd folgendes: Erstens muss ein anatomisch geformtes Bestandteil zur Anatomie des jeweiligen Pferdes passen. Und genau das ist oft nicht der Fall.

Ein anatomisch geformter Genickriemen muss zur Anatomie des Pferdes passen. (© C. Götz)

Wenn beispielsweise der Genickriemen von der Länge her nicht exakt zur Form der Ohren passt, dann drückt er an den falschen Stellen sogar noch mehr als eine nicht anatomisch geformte Trense. Häufig beobachtet man, dass er zu lang ist und dann der Stirnriemen nicht mehr weit genug nach oben geschoben werden kann. Dies ist auch bei stark unterfütterten Genickteilen ein bekanntes Problem. Dann drückt nämlich der Stirnriemen aufs Kiefergelenk beziehungsweise reibt dort, vor allem, wenn das Pferd abkaut.

Bei dieser anatomisch geformten Trense drückt der zu lange Genickriemen den Stirnriemen aufs Kiefergelenk und der Backenriemen des Reithalfters liegt zu nahe am Jochbein. (© C. Götz)

Auch andere anatomisch geformte Trensenteile wie Stirnriemen oder Reithalfter können mehr Schaden anrichten als sie theoretisch nutzen könnten, wenn sie nicht absolut perfekt zur Anatomie des Pferde passen. Oft sind sie nicht symmetrisch zu verschnallen oder verrutschen und das Pferd hat dadurch ständig auf einer Seite mehr Druck als auf der anderen – und zwar oft auch im Maul – je nachdem was verrutscht. Warum das Schiefziehen der Trense Rittigkeitsprobleme schafft, habe ich hier erklärt.

Das ist aber lange noch nicht alles: Der zweite Grund, warum ich anatomisch geformte Trensen nicht mag ist ihre mangelnde Flexibilität: Die Dinger sind steif, dick und trotz Unterfütterung fühle ich mich schon beim Anschauen an unpassende Schuhe erinnert, die man nie richtig einläuft, weil man sich jedes Mal Blasen holt.

Wer seinem Pferd eine anatomisch geformte Trense kauft, möchte ihm ja eigentlich etwas Gutes tun oder versucht bereits bestehende Probleme wie Genickschmerzen, Zungenfehler oder mangelnde Rittigkeit dadurch abzupuffern. Richtig gut tut unseren Pferden aber vor allem, wenn wir mit feinen Hilfen reiten beziehungsweise es lernen, mit immer feineren Hilfen zu reiten.