Dehnungshaltung 4

Wie ich in den vorangegangenen drei Teilen erklärt habe, ist Dehnung für die körperliche und psychische Losgelassenheit wichtig. Die Dehnungsbereitschaft muss man zuerst fördern, um sie dann für das jeweilige Pferd vollumfänglich nutzen zu können. Zudem gibt es unterschiedliche Arten der Dehnung.

Ob man die Dehnungsbereitschaft in den drei Grundgangarten im Laufe einer Reiteinheit erreicht hat, stellt man fest, indem man das Pferd durch Zügel-aus-der Hand-kauen-lassen (ZadHkl) in die Dehnung entlässt und überprüft (fühlt, sieht oder ansagen lässt), wie lange es dabei seinen Takt und sein Tempo halten kann. Unser Pferd hat eine sinnvolle Dehnungshaltung eingenommen, wenn es zudem im Gleichgewicht bleibt (nicht auf der Vorhand kommt) ist, sich schnell löst, also den Rücken hergibt und uns zum Sitzen kommen lässt. Solange man es noch nicht spüren kann, helfen Unterricht, der Spiegel oder Videos.

Beim ZadHkl wird nicht nur Dehnung erarbeitet, es dient zudem der Überprüfung von versammelnden Lektionen, wie ich in dem Beitrag über reelles Reiten erklärt habe. Das fürs ZadHkl von den Richtlinien* geforderte „bis zum langen Zügel“ bedeutet laut der Erläuterung dort: Das Pferd trägt seinen Hals natürlich. Eine Verbindung zur Reiterhand besteht.

Auch so geht Dehnung! Auf dem Podest dehnt sich diese Stute selber und genießt, was dies ihrem Körper Gutes tut. (© C. Götz)

An dieser Stelle ist es meiner Ansicht nach interessant, den Unterschied zwischen aktivem Dehnen und einem einladenden Dehnen, welches das Pferd selbst vornimmt, zu kennen. Beim aktiven Dehnen gibt man dem Pferd einen Rahmen, von dem man vermutet, weiß oder spürt, dass er ihm beim Loslassen hilft. Man fordert über ZadHkl diese aktive Dehnung. Eine Einladung zum Dehnen gibt man dem Pferd, indem man ihm anbietet, sich mit tiefer Nase, lediglich am Zügelgewicht (hingegebener Zügel) selber (über einige Zeit) zu strecken. Das Tempo oder zumindest die Gangart legt man dabei aber fest. Auch hierbei muss das Pferd im Gleichgewicht bleiben. Dieses Dehnen am hingegebenen Zügel fördert zudem das Reiten am Sitz.

Grundsätzlich lässt sich sagen: Je besser ein Pferd in der Balance ist und gelernt hat in unterschiedlichen Situationen im Gleichgewicht zu bleiben (etwa indem es auch im Gelände bergauf und bergab läuft und nicht immer nur in der Bahn), umso leichter wird es sich tun, in einer förderlichen und effektiven Dehnungshaltung zu laufen.

Und zuletzt soll erwähnt sein, dass Pferde auch im Stehen dehnen können. Für eine Haltung wie beim ZadHkl bietet sich in erster Linie das Podest an: mit Leckerchen gelockt oder – wenn sie es kennen – ganz alleine.

* Band 1, 27. Aufl., Seite 80, 94 und 97