Der Tassen-Test

Gestern fragte mich eine Kundschaft, ob es stimme, dass die Kopfhaltung des Pferdes dann optimal sei, wenn es eine Tasse auf dem Genick transportieren könne, ohne dass diese herunterfällt. Sie hätte das im Fernsehen in der Sendung mit dem Mann mit dem Zöpfchen gesehen. Das hatte ich zwar so noch nicht gehört, aber …

Die Vorstellung von der Tasse auf dem Genick kann durchaus hilfreich sein. (© C. Götz)

… man lernt ja nie aus. Ich überlegte kurz und kam dann zu dem Schluss: Ja, das kann man durchaus so sagen. Sie erzählte weiter, dass der Spruch bei einem Pferd fiel, das ständig zu tief eingestellt gehen musste und dadurch total fest geworden sei.

Dieses Problem habe ich in meiner therapeutischen Praxis immer wieder erlebt – bei Pferden aller Rassen sowie in allen Reitweisen und Disziplinen.

Was hat es nun mit der Tasse auf dem Kopf auf sich? Die Besitzerin des TV-Korrekturpferdes sollte sich vorstellen, dass das Pferd eine Tasse auf dem Genick balanciert. Das ginge nur, wenn das Genick hoch genug getragen wird, aber nicht zu hoch. Wen es interessiert, der kann es aktuell hier (Track Krafttraining für Woopie, 1:35) anschauen.

Ich will jetzt nicht die Art der Umschulung diskutieren, die ich sicher anders angegangen hätte – definitiv aber, ohne das Tier erneut in ein Korsett zu stecken. Mir geht es immer noch um die Tassenfrage, besonders um die Frage, wann sie herunterfallen würde.

Ich sag’s mal so: Die Tasse bleibt bei einem korrekt gerittenen Pferd immer oben. Und die Tasse fällt, wenn ein Pferd mit den Händen in die Anlehnung gepresst wird.

Links ein am reinen Zügelgewicht und dem Sitz aufgerichtetes Pferd mit dem Genick als höchstem Punkt und der Nase eine Handbreit vor der Senkrechten – die Tasse würde halten, im Gegensatz zum Grand-Prix-Pferd in der Prüfung rechts. (© C. Götz)

Warum? Die Zeichnung zeigt es: Rundet ein Pferd in relativer Aufrichtung den Hals ohne die Unterhalsmuskulatur anzuspannen, wird das Genick – also die Verbindung von Hinterhauptsbein und Atlas – zu einer Art losgelassenem Scharnier. Anders ausgedrückt: Mit der Nasenlinie vor der Senkrechten hat ein losgelassen gehendes Pferd in jedem Ausbildungstand die Chance, die Tasse oben zu behalten. In dem in diesem Beitrag verlinkten Video sieht man, dass das auch im Schritt am hingegebenen Zügel funktioniert.

Mein Fazit: Ich finde die Vorstellung von der Tasse auf dem Genick durchaus hilfreich. Das kann man auch vom Sattel aus und bei der Bodenarbeit erkennen oder man kontrolliert es im Spiegel, bis man sich darauf geeicht hat.

Dann lautet das Sprichwort also in Zukunft möglicherweise: Sind noch alle Tassen auf dem Pferd?

Hier würde keine Tasse halten: Der Artikel über den falschen Knick zeigt, warum.

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