Wie und warum es von Vorteil ist, wenn man dem Pferd einen Schritt voraus ist, habe ich in diesem Artikel beschrieben. Was passiert, wenn das Pferd etwas vorwegnimmt – und zwar aus Übereifer – und wie man dann am besten reagiert, darum geht es im heutigen Beitrag.
Viele Reiterinnen* kennen das: Man denkt an eine Gangart oder eine Lektion und das Pferd ist im nächsten Moment in selbiger: galoppiert, töltet, passagiert oder verlängert die Tritte oder Sprünge. Was ist passiert? Man hat dem Pferd mit seinem Gedanken ein Bild vermittelt. (Hier der Start der siebenteiligen Serie zu Bildern in unseren Köpfen und wie wir sie fürs Reiten nutzen können.)
Dieses Bild verändert unsere Körperhaltung so, dass ein fein gerittenes Pferd die Hilfe alleine schon deshalb umsetzen kann. In diesem Fall handelt es sich also eigentlich nicht um ein Vorwegnehmen der Hilfe. Vielmehr regiert das Pferd auf die feinste Hilfe, die es bekommen kann. Das kann durchaus auch passieren, wenn wir nur daran denken, später in der Reiteinheit noch die betreffende Gangart oder Lektion zu reiten. In so einem Fall korrigierend einzugreifen würde bedeuten, das Pferd für seine Feinheit zu bestrafen. Das macht wenig Sinn.
Dann gibt es die Momente, wo das Pferd andere Ideen hat als man selber: Häufig ist es der Galopp, den Pferde wählen, obwohl man das gerade nicht möchte: weil der Weg dafür heute zu rutschig ist oder weil man erst noch an der Versammlung im Trab arbeiten wollte. Oder das Pferd nimmt die Verstärkung vorweg. Tatsächlich kann mangelnde Bewegung ein Grund für dieses Verhalten sein. Oder das Pferd möchte schneller nach Hause als man selber.
Wer weiß, was jeweils dahintersteckt, kann adäquater reagieren. Häufig ist es sinnvoll, dem Pferd einen Kompromiss anzubieten indem man das Angebotene annimmt und so modifiziert, dass es zu dem passt, was man vorhatte, wie das im Zusammenhang mit dem Entziehen des Pferdes beschrieben hatte.
Dass ein Pferd Hilfen vorwegnimmt – etwa zum Halten – kann aber auch passieren, wenn man immer dieselbe Abfolge von Lektionen oder Hufschlagfiguren reitet. Oder wenn man eine Gangart oder Lektion nur auf eine einzige Art reitet. Das beobachten viele Reiterinnen, wenn sie im Schritt die Zügel aufnehmen und das Pferd schon dabei ohne weitere Hilfengebung antrabt. Wie man damit umgehen kann, habe ich in diesem Artikel beschrieben.
Oft passiert es auch, dass Pferde in besonderen Momenten – etwa auf einem Turnier oder wenn man ein Video zur Selbstkontrolle aufnehmen möchte – übermotiviert sind. Der Grund kann dann in der (An)Spannung von Reiterin und Pferd liegen. Hier kann es helfen, sich selber im Sattel noch besser zu entspannen, Hilfen noch besser dosieren zu lernen und diese Situationen einfach öfter zu üben.
* Gendern? Darum!