Beim Überstreichen bewegen sich die Zügelhände entlang des Mähnenkamms bis zu zwei Handbreit nach vorne Richtung Pferdekopf. Meist sind es beide Hände gleichzeitig, man kann aber auch, vor allem auf gebogenen Linien, den inneren Zügel überstreichen. Ersteres überprüft die Selbsthaltung generell, letzteres ob das Pferd am äußeren Zügel steht.
Da das Überstreichen meiner Ansicht nach viel zu selten genutzt wird, hier mal Argumente und Hintergründe, um es ins eigene Reiten zu integrieren und Tipps, wie man die häufigsten Fehlerquellen abstellt.
Gefragt ist beim Überstreichen in der Regel eine „Wegstrecke“ von zwei bis drei Pferdelängen. Das ist das, was in Prüfungen gezeigt werden muss. Beim Training kann man – je nach Pferd und Gangart – aber natürlich auch kleiner anfangen, etwa mit einem (oder mehrfachem) ansatzweisen Vorgehen der Hand. In den FN-Richtlinien* steht als Anweisung zudem: „Die Stirn-Nasenlinie des Pferdes darf dabei etwas mehr vor die Senkrechte kommen“.
Beim Überstreichen ist zumeist die Rede von der Selbsthaltung des Pferdes. Aber letztendlich wird der Reitersitz geprüft. Und genau da passieren auch die größten Fehler beim Überstreichen.
Fehler 1: Sitz aufgeben. Wer sich darauf konzentriert, die Hände nach vorne zu führen, gibt dafür häufig seinen Sitz auf. Das passiert besonders dann, wenn das Pferd ohnehin nicht vor einem ist, bzw. wenn man mit zu viel Hand reitet. Man sollte ausprobieren, ob man sich im Trab oder im Galopp leichter tut, sitzen zu bleiben und vermehrt dort üben, um das gute Gefühl dann in die andere Gangart mitzunehmen.
Fehler 2: Hände hoch. Viele verstehen die Anweisung „entlang des Mähnenkamms“ falsch oder meinen die Hände anheben zu müssen, um das Pferd nicht in die Tiefe kommen zu lassen. Da hilft es, den Bewegungsablauf im Schritt oder Stand am langen oder hingegebenen Zügel zu üben und dabei in den Spiegel zu blicken, sich zu filmen oder sich korrigieren zu lassen. Außerdem muss das Pferd besser ins Gleichgewicht kommen.
Fehler 3: Das Pferd verändert das Tempo – wird schneller oder langsamer. Die Abstimmung der Hilfengebung passt nicht und das Pferd reagiert darauf. Es kann (auf seine Art) auf zu viel oder nachlassenden Druck aus den Beinen oder dem Gesäß oder der Hand reagieren oder auf das nach vorne verlagerte Gewicht.
Das heißt aber nicht, dass man Überstreichen erst machen sollte, wenn das Pferd perfekt ausgebildet ist – im Gegenteil: Ein Überstreichen am inneren Zügel oder mit beiden Zügeln macht bereits zu Beginn der Ausbildung Sinn und zwar vor allem dann, wenn man …
- überprüfen möchte, ob das Pferd in Balance ist,
- prüfen möchte, ob man reell am äußeren Zügel reitet,
- dem Pferd das Annehmen der treibenden Hilfen erleichtern möchte und/oder
- dem Pferd klar machen möchte, dass es sich nicht am Zügel abstützen soll.
Mehr Tipps: Man kann das Überstreichen auch im Gelände gut üben. Hilfreich ist auch, sich während des Reitens immer wieder zu fragen, ob man jetzt überstreichen könnte. Auch mit einhändig geführten Zügeln kann und sollte man überstreichen. Die beiden Übungen lassen sich toll kombinieren.
* Band 1, 27. Aufl., Seite 98
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