Stabiler konstruiert

Waren Pferde früher stabiler? Diese Frage stellt sich mir nicht erst seit dieser Meldung im Wissenschaftsmagazin Scienedirect. Ich habe auch schon Tierärzte von Sollbruchstellen in modernen Pferdetypen reden hören. Konkret geht es um eine zuchtbedingte Veränderung in der Nackenplatte.

Die Nackenplatte ist eine sehnig- bis fasrig-bindegewebige Aufhängung der Halswirbel am Nackenband. Bis vor 200 Jahren werden in der Anatomie-Literatur bei Pferden die Ansatzpunkte der Nackenbandlamellen immer vom 2. bis 7. Halswirbel dargestellt. Inzwischen weisen jedoch fast alle Pferde nur noch Anbindungen vom zweiten bis zum fünften Halswirbel auf.

Während die Nackenplatte früher vom zweiten bis zum siebten Halswirbel reichte (Rot und Orange), ist sie heute zumeist nur noch vom zweiten bis zum fünften Halswirbel vorhanden (Orange). (© C. Götz)

Der Fund eines Australian Stock Horses mit einer vollständigen Nackenplatte vom zweiten bis hinunter zum siebten Halswirbel zeigt, dass auch modernen Pferdetypen diese Besonderheit noch haben können, die man ansonsten eher in ursprünglicheren Pferdetypen findet. Es gibt auch Pferde, deren Nackenplatte vom vom zweiten bis zum sechsten Halswirbel reicht.

Sicher ist bislang nur, dass der Verlust von Teilen der Nackenplatte im Zuge der Domestikation und der Weiterentwicklung der Pferde über Zucht auftrat. Ich vermute, dass das Fehlen der stabilisierenden Bindung am sechsten und siebten Halswirbel eine größere Flexibilität des Halses ermöglicht. Eine Entwicklung, die für moderne Pferde gezielt gezüchtet wurde – bis hin zu der heute gewünschten „natürlichen“ Aufrichtung.

Dass die Natur für das Pferd einen stabileren Hals vorgesehen hat, erklärt für mich auch, warum immer mehr Pferde Probleme im Halsbereich und im Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule haben – manche sogar von Geburt an. Werden solche Pferde dann auch noch schlecht ausgebildet und geritten – in dem Sinne, dass die Halswirbelsäule selbst und der Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule gestaucht und komprimiert wird – dann sind Folgeprobleme vorprogrammiert.

Übrigens: Ein weiteres Beispiel für massive anatomische Unterschiede zwischen Pferderassen ist die Anzahl der Wirbel bei Vollblutarabern: Sie besitzen oft nur 17 statt 18 Rippen und fünf statt sechs Lendenwirbel. Die Anzahl der Schweifwirbel kann bei allen Pferden zwischen 15 und 18 variieren.