Funktionaler Sitz

Im vorherigen Beitrag habe ich angekündigt, etwas über den „funktionalen Sitz“ zu schreiben. Diesen Begriff hört oder liest man in letzter Zeit häufiger. Auch ich habe die Bezeichnung „funktional“ in punkto Hilfengebung aus dem Sitz bereits verwendet. Doch was ist das eigentlich?

Ist ein korrekter Sitz ein funktionaler Sitz? Und wie korrekt muss ein funktionaler Sitz sein?

Dieser Kupferstich von 1695 zeigt die damals als korrekt angesehene Haltung des Reiters auf einem Pferd. (© Deutsche Fotothek, Wikipedia)

Vorweg: Kein Mensch hat einen hundertprozentig korrekten Reitersitz. Warum nicht? Weil selbst die allerbesten Reiterinnen nicht auf jedem Pferd gleich gut sitzen und vor allem nicht in jedem Moment und nicht in allen Disziplinen. Natürlich gibt es diejenigen, die sich dem aktuellen Ideal weitestgehend oder scheinbar jederzeit angepasst haben. Überraschenderweise ist auch deren Sitz dadurch nicht oder nicht immer funktional.

Wie wenig Menschen das eigentlich bewusst ist, zeigt meines Erachtens die Aufregung und Häme, wenn wieder einmal ein Profi öffentlich zu sehen ist, der in einer Siegerehrung Panik bekommt oder sich auf einem Berittpferd überraschend hilflos zeigt.

Wenn wir ehrlich sind, hat jeder von uns Momente erlebt, in denen wir auf dem Pferd entsetzlich alt aussahen – in dem Sinne, dass wir eine Situation, die wir eigentlich zu beherrschen glauben, nicht oder nur mit echter Not meistern konnten.

Jeder von uns möchte auf dem Pferd so gut wie möglich aussehen – das ist auch gut, denn es treibt uns an. Es macht allerdings wenig Sinn, aktuellen Idealbildern vom Sitz hinterherzulaufen, indem man sich in eine Form presst oder pressen lässt.

Der funktionale Sitz, wie ich ihn verstehe, ist geschmeidig und dabei stabil ohne an irgendeiner Stelle fest zu sein. Auch Anfänger können bereits funktional sitzen.

Für einen Sitz der für möglichst viele Situationen auf möglichst vielen Pferden funktioniert, gehört für mich – und für das moderne Bewegungslernen – die Variation von Bewegungen. Ergo eine möglichst vielseitige Ausbildung von Anfang an: Sitzschulungen an der Longe, Reiten ohne Sattel, mit verschiedenen Bügellängen, im Gelände, über Sprünge und durch Trailhindernisse sowie die eigene körperliche Fitness.

Für mich ist es so: Ein dem Anschein nach korrekter Sitz ist also noch lange nicht funktional. Ein funktionaler Sitz lässt Reiterinnen jedes Ausbildungsstandes und jeder Disziplin nicht nur gut aussehen, sondern gestellte, zum Ausbildungsstand passende Aufgaben gut umsetzen.